Die Trauerphasen

Den Tod zu verkraften ist schwer. Der Schmerz bricht oft unvorbereitet herein und stellt Trauernde vor einige Aufgaben, die sie laut William J. Worden zu bewältigen haben. Die Trauer ist  kein starrer Zustand. Sie verändert sich ständig und dabei durchläuft die Trauer mehrere Phasen.

Gemäss Elisabeth Kübler-Ross, eine der bekanntesten Sterbeforscherinnen, können fünf Phasen der Trauer unterschieden werden: Leugnen, Wut, Feilschen und Verhandeln, Depression und Annahme. Andere Autoren beziehen noch die Phasen der Desorganisation, Schuldgefühle und der Angst mit ein.  

Leugnen

"Nicht ich, das kann unmöglich mir passieren".

Bezeichnend für die Phase des Leugnens sind Schockgefühle, Unglaube, Starre und Betäubung. Das Leugnen schützt die Trauernde vorübergehend, bis sie soweit ist, dass sie sich dem Verlust stellen kann. Auf der einen Ebene weiß sie, dass sie das Kind verloren hat, aber auf der anderen Ebene ist sie noch nicht bereit, dieses zu akzeptieren.


Man sollte nicht versuchen, diese Phase allzu schnell hinter sich zu bringen. Leugnen ist ein natürliches Phänomen. Trauernde lassen das Leugnen ganz von selbst sein, wenn sie soweit sind. 

Wut

"Warum ich?" 

Wutgefühle können helfen, sich von den Schmerzen zu erholen. Die Wut zu unterdrücken kann zu Depressionen und Feindseligkeiten führen. Trauernde sollten sich bemühen, ihre Wut auf gesunde Weise zu äußern - darüber reden, Tagebuch schreiben, einschlagen auf ein Kissen oder die Wut in Bewegungsenergie durch Spaziergänge oder andere sportliche Aktivitäten umsetzen.

Schuldgefühle

"Warum habe ich nicht...?" oder "Hätte ich doch nur..." sind quälende Fragen und Vorwürfe, die sich fast jede Frau stellt. 

Gespräche mit Angehörigen, Freunden, Ärzten und im Forum können helfen, diese Gefühle auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und sich von ihnen zu lösen. 

Desorganisation

Nachdem eine erste Verarbeitung des Verlustes möglich war, bricht meist eine große Flut von Gefühlen auf die Betroffene herein: Angst, Widerwille, Zweifel, Erleichterung, Wut und Traurigkeit.

Wer jeder einzelnen Gefühlsregung nachspürt, wird sich schnell überfordert fühlen. Gesprächen mit Angehörigen oder im Forum helfen diese Gefühle zu verstehen und zu verarbeiten.

Feilschen und Verhandeln

Es kommt vor, dass Trauernde darum beten, dass das Kind nicht wirklich gestorben ist. Sie sehnen sich so sehr nach dem verlorenen Kind, dass sie bitten, es möge zu ihnen zurückkommen. Auch wenn es irrational erscheint, über das Zurückkehren verhandeln zu wollen, kann dies ein normaler Bestandteil des Heilungsprozesses sein. 

Depression

"Das Spiel ist aus.."

Trauernde können durch die anscheinend hoffnungslose Situation des Verlustes in ein tiefes "psychisches Loch", eine Depression, fallen. Sie äußert sich meist in Form von Hoffnungslosigkeit, Trägheit, Apathie, Isolation und Traurigkeit. Vielfach fehlt den Trauernden selbst für Aktivitäten, die ihnen zuvor Freude gemacht haben, jegliches Interesse.

Eine Trauerdepression ist, auch wenn es vielleicht nicht so aussieht, vorübergehender Natur. Die Dauer solcher Depressionen ist von Person zu Person verschieden. Es ist durchaus normal, dass die Betroffenen sich monatelang depressiv und niedergeschlagen fühlen.

Versuche Licht am anderen Ende des Tunnels zu sehen. Es gibt hierfür sehr viele verschiedene Mittel und Methoden, die in vielen Büchern zum Thema Depressionen vorgestellt werden. Lass Dir  ruhig Zeit, diese Phase zu verarbeiten.

Angst

Angst ist ein normaler Bestandteil des Trauerprozesses. Der Tod ist so allüberragend im Bewusstsein, dass alle Gefahren der Welt über einen hereinzubrechen scheinen. 

Für Personen, die sich von ihrer Angst überwältigt fühlen, kann es hilfreich und ratsam sein mit anderen Trauernden zu reden.

Akzeptanz

"Es ist wie es ist"

Nach großer Verzweiflung und vielen Kämpfen akzeptieren Trauernde schließlich den Verlust des Kindes, so dass der Heilungsprozess beginnen kann. Es eröffnen sich neue Möglichkeiten - man sieht Licht am Ende des Tunnels. Das Leben sieht nicht mehr düster aus. Es gibt neue Hoffnung.

Die Frau findet wieder Interesse am Leben. Sie kann wieder lachen und ihre Freunde und Familie wieder mehr genießen. Sie kann an das Kind denken, ohne von Traurigkeit überwältigt zu werden und sie hat vielleicht sogar das Gefühl, durch den Verlust etwas gelernt und sich verändert zu haben.




 

Die Trauerarbeit

Die Trauer ist kein passiver oder stillstehender Zustand, sondern ein Prozess mit unterschiedlichen Phasen, den man durchlebt, der sich verändert und in dem man zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Aufgaben zu lösen hat. Oft ist daher auch von „Trauerarbeit“ die Rede. 
Eindruck wie Trauer und Freude braucht Ausdruck in Form von Bewegung, Wort oder Bewegung. 
Lässt man die unweigerlich kommenden Gefühlen nicht zu, kann es zu einer hochexplosiven Mischung, Verfaulen des Inneren oder psychosomatischen Beschwerden kommen. Auf irgendeinem Weg suchen sich die starken Gefühle ihren  Weg.

Das Trauermodell von William J. Worden

In der Trauer müssen laut Worden folgende Aufgaben vom Trauernden in den verschiedenen Phasen bewältigt werden.

1. die Wirklichkeit des Verlustes begreifen und als Realität akzeptieren   


Tod vermittelt oft das Gefühl von Unwirklichkeit.


Um trauern zu können, ist es nötig den Verlust zu realisieren und schlussendlich als unabänderliche Tatsache zu akzeptieren.
Eine körperlich durchlebte Verabschiedung durch eine Geburt und das wortwörtliche "Begreifen" des toten Kindes kann ein erster Schritt sein. Die Beerdigung ein zweiter Schritt in Richtung des Begreifens, was passiert ist.

Die quälende Frage nach dem "Warum" oder Schuldgefühle stehen einem da oft im Wege und hindert an der Akzeptanz des Schicksals. Dieses Dinge sind wie ständiges Kratzen an einer heilen wollenden Wunde.

Es wird immer wieder Zeitpunkte des erneuten, schmerzhaften Begreifens geben wie z.b. den errechneten Entbindungstermin, ein Babybauch, Werbung im TV für Windeln, der Schwangerschaftsnewsletter im Postfach, den man vergessen hat abzubestellen.
In diesen Situationen ist die Trauer wieder voll im Bewusstsein und mit aller Intensität da, obwohl man dachte "drüber weg zu sein". Und das ist okay. Das sind Momente des schmerzlichen Vermissens und der Sehnsucht, die uns an das Verlorene erinnern lassen.
Und man wird sich mit der Zeit an diesen Schmerz gewöhnen und er wird dadurch von mal zu mal erträglicher.
Trauer wird dann zu Momenten des liebevollen Erinnerns. 


2. die Vielfalt der Gefühle und den Schmerz durchleben und verarbeiten  Eindruck braucht Ausdruck.


Genauso wie wir vor Freude lachen, müssen wir auch vor Trauer weinen. Wenn wir diesen Gefühlen keinen Ausdruck geben würden, würden wir platzen.

Jeder kennt das Gefühl sich lachen verkneifen zu müssen. Was passiert? Irgendwann prustet man los. Man platzt förmlich.

So ist es auch bei Trauer.
So viele Gefühle... von Wut, Schuld, Scham, Verzweiflung, Ohnmacht, Leere, Rastlosigkeit ist alles dabei.

Diese müssen von Innen nach Aussen transportiert werden. Passiert das nicht, kann eine hochexplosive Mischung entstehen oder innerliches Verfaulen.

Der Ausdruck kann durch Worte, geschrieben oder gesprochen, Weinen, Schreien, durch Aktivität in Bewegung, Kunst, Musik erfolgen, je nachdem, was zu einem passt.

Wichtig ist, dass man die Gefühle sieht, anerkennt und kanalisiert.
 

3. die Fähigkeit, die mit dem Verlust einhergehenden Veränderungen in einem selbst als auch der Umwelt zu leben  

Wer kennt es als Betroffene/Betroffener nicht?


Vieles ändert sich auch um einen herum.

Freundschaften bewähren oder trennen sich, weil die Freundin oder den Freund in einer schweren Stunde an der Seite war oder eben nicht.

Die Partnerschaft wird oftmals auf eine Belastungsprobe gestellt, weil der Partner in vielen Fällen anders mit dem Verlust umgeht als man selber.

Auch in der Familie stößt man womöglich auf Unverständnis, was auch hier dann zu Problemen führen kann.

Aber nicht nur die Beziehung zum sozialen Umfeld verändert sich oft.

Man glaubt in der Trauer ja häufig verrückt zu werden und tatsächlich wird man ver"rückt".
Das Selbst wird oft ein anderes, man hat vielleicht das Gefühl nicht mehr die Alte/der Alte zu sein.

Mit dem Verlust muss man also nicht nur die Veränderung im Inneren, sondern auch im Äußeren annehmen und sich in den neuen Verhältnissen orientieren, was zugleich auch nochmal sehr herausfordernd und mit viel Enttäuschung verbunden sein kann. 

4. die Verortung des verlorenen Kindes  

Es ist für den/ die Hinterbliebene/n wichtig, dem Verstorbenen einen Platz zu geben, an dem er sein darf und an dem man weiter mit ihm verbunden sein kann, wenn man das Bedürfnis hat.


Das kann die Grabstelle (stellvertretend oder tatsächlich), eine Gedenkecke, eine Erinnerunsgkiste, eine Tattöwierung, ein selbstgemaltes Bild oder ein Stern am Himmel sein- es kann ein sichtbarer oder unsichtbarer Ort sein.
Entscheidend ist, dass das verlorene Kind nicht den ganzen (Lebens)Raum einnimmt und so das eigene Weiterleben beeinträchtigt und blockiert.

Wenn man dem Kind/dem Toten/ der Toten dann nah sein möchte, begibt man sich zu diesem Ort, und geht dann auch wieder, um sein verändertes Leben weiter zu leben. 


5. das weiter-"Funktionieren" in der Trauer, um die Strukturen und den Alltag aufrecht zu erhalten 

Klingt so banal, ist aber tatsächlich eine grosse Herausforderung.


Am liebsten im Bett mit über den Kopf gezogener Decke, zu schwach und traurig um zu Essen und zu Trinken, das permanente Gedankenkarussell hindert am Schlafen, die Bewältigung eines Leben mit den essenziellen Dingen wird zur kaum überwindbaren Aufgabe.

Dabei ist es gerade in der Trauer so wichtig gut milde mit der eigenen Person zu sein. Schöne Dinge, von denen man weiß, dass sie einem gut tun, sollten versucht werden immer wieder in das Leben zu integrieren. Das kann eine Massage sein, bei der man den Körper mal wieder spürt, oder ein Kinobesuch mit der Freundin, um mal kurzzeitig die Gedanken zu beruhigen.

Versuch wie eine gute Freundin für Dich zu sein, die an Deiner Seite und für Dich da ist in einer schweren Zeit. 


Das Meer der Tränen

 

Es zieht ein gewaltiger Sturm auf, der Himmel wird schwarz, der Wind fängt an zu tosen und peitscht die See auf. Die Wellen schlagen einem über dem Kopf zusammen und man droht unter zu gehen. Man kann kaum den Kopf über Wasser halten, man ist in Panik, verzweifelt, außer sich vor Angst, weiß nicht, ob man das übersteht. Die Wellen kommen aus allen Richtungen, völlig unkontrolliert, sind meterhoch und drücken einen immer wieder unter Wasser.

Irgendwann lässt der Sturm etwas nach, die See beruhigt sich. Man kommt wieder zu Atem, kann etwas ausruhen, die Orientierung gewinnen. Es kommen immer noch Wellen, aber diese sind absehbar und nicht mehr so unkontrolliert von allen Seiten.

Irgendwann werden die Abstände der Wellenberge größer, die Wellenkämme kleiner. Die See wird ruhiger. Es kann immer mal wieder ein Sturm aufziehen, aber man ist vorgewarnt.

Die Trauer oder mindestens Schatten davon werden einen das ganze Leben lang begleiten. An diesen Begleiter, der mal mehr, mal weniger leise ist, wird man sich leider gewöhnen müssen und ihn als gegeben und zum jetzigen Leben gehörend annehmen.

Und es wird immer mal wieder Phasen geben wie etwa der Entbindungstermin, Weihnachten oder der Todestag an denen man wieder mehr traurig ist. Aber die Phasen, in denen es nicht mehr so tief innen schmerzt, werden weniger und besser auszuhalten. Die Sehnsucht wird ewig anhalten und auch wird man nicht vergessen. Das heißt es als permanente Narbe zu akzeptieren. Die Trauer wird aber irgendwann nicht mehr das Leben bestimmen und so viel Raum einnehmen.

Die See wird ruhiger- irgendwann… 

Neid und Eifersucht

 Neid... Eifersucht... Gesellschaftlich negativ belegte Gefühle, die aber nach einer Fehlgeburt jede Frau erlebt. Ja, ich behaupte, dass diese Gefühle wirklich JEDE Frau spürt und sich häufig dafür schämt, weil es eben Gefühle sind, die man nicht haben "darf", aber doch sehr menschlich sind. Eine Frau nach einer Fehlgeburt kann zum Beispiel keine schwangeren Frauen mehr ertragen, oder sie meidet ihre eigentlich beste Freundin, weil diese schwanger ist.
Darüber zu reden trauen sich jedoch die wenigsten, da es tabuisierte Gefühle sind, für die sie sich schämen und die sie vermeintlich zu einem schlechten Menschen machen.

Dabei sind sie völlig normal und sie ergreifen jede Frau, die einen Verlust erlebt hat und sich nun nichts sehnlicher wünscht als auch ein Kind im Bauch wie die Frau, die gerade über die Straße geht. Dadurch ist diese Frau auch nicht weniger schwanger, es bedeutet auch nicht, dass man es ihr missgönnt, man wünscht es sich lediglich auch sehnlichst und kann die Trauer und Sehnsucht kaum ertragen, wenn man mit Schwangeren konfrontiert wird, die einem wortwörtlich vor Augen führen, was man verloren hat. 


 Entrechtete Trauer

Viele Frauen nach einer Fehlgeburt hören vom Umfeld Aussagen wie "Es hätte noch schlimmer kommen können" oder "Wenigstens war es noch früh in der Schwangerschaft".

Kennst Du das? Hast Du Dich danach noch schlechter gefühlt?

Wenn ja, dann erlebtest Du "entrechtete Trauer".

Dr. Doka prägte den Begriff in dem 1980er Jahren. Es ist eine Trauer, die Menschen erleben nach einem Verlust, der nicht offen anerkannt, öffentlich betrauert oder gesellschaftlich unterstützt wird.

Deine Trauer wird von anderen nicht anerkannt und unterstützt, sondern herabgewürdigt und bagatellisiert, was den Trauerprozess verlängert und intensiviert.

Wichtig ist nun den Verlust für sich selbst anzuerkennen und sich selber die Trauer zu zu gestehen. Spüre und erlaube Dir Deine Gefühle. Kanalisiere diese beim Sport, schreiben, beim Austausch mit Leidensgenossinnen oder kreativer Arbeit. Und vor allem sei gut zu Dir!