Für das Umfeld der Betroffenen
Eine Fehlgeburt oder Totgeburt lässt die Grundfesten unseres Urvertrauens erbeben. Man vertraut nicht mehr auf seinen Körper, man fühlt sich von ihm hintergangen und enttäuscht. Man vertraut nicht mehr auf das Gute, darauf, dass alles gut gehen und werden wird und der seelische Schmerz, den man ertragen muss, ist häufig ungewohnt und ungeahnt, erschreckend groß.
Und dann können einen vielleicht auch die nächsten nicht verstehen...
Viele Frauen, die eine Fehlgeburt hinter sich haben, leiden zusätzlich noch unter dem Verhalten ihrer Umwelt.
Sie fühlen sich verletzt durch unüberlegte Äußerungen und durch gefühlte Banalisierung des Geschehenen. Für viele Umstehenden ist die Trauer der Frau oder des Mannes nicht zu verstehen, war es in ihren Augen noch kein greif- und sichtbares Kind. Die Mutter sieht das Kind aber schon von Anfang an mit dem Herzen. Die emotionale enge Bindung besteht seit dem Wissen um die Schwangerschaft. Es werden Pläne geschmiedet, es wird die Zukunft ausgemalt, man ist voller Vorfreude auf diesen Menschen, für den man schon aufrichtige Mutterliebe empfindet.
Auch wissenschaftliche Studien haben belegt, dass das Gehirn der Frau mit Beginn der Schwangerschaft anfängt zu transformieren und sich in ein "mütterliches" umwandelt, was andere Strukturen aufweist und die Frau ab nun "mütterlich" empfinden und handeln lässt. Es passierte neben der emotionalen auch bereits eine anatomische Veränderung, die die Frau als "Mutter" empfinden lässt.
Dann stirbt dieses Wesen… Eine Welt bricht zusammen und die Frau trauert mit ganzer Seele und aus vollem Herzen.
Wenn man in dieser Situation auf Unverständnis und wenig empathisches Verhalten der Umwelt trifft, ist das sehr verletzend für die Frau. Sie bekommt unüberlegte Aussagen zu hören wie „Das war ja noch kein richtiges Kind“, „Besser jetzt als später“, „Dann probiert ihr es halt nochmal“ , "Besser als eine Behinderung", "Wer weiss wofür es gut war" usw. oder es wird sogar über das Geschehene ohne jegliche Beachtung drüber hinweg gegangen.
Aber das alles sind Bemerkungen, die die Betroffene nicht hören möchte, da sie implizieren, dass die Tragweite nicht verstanden wird, die Frau überreagiert und das Geschehene bagatellisiert wird. Für die Frau ist der Verlust jedoch eine wahre Tragödie, dieses eine Kind nicht einfach ersetzbar. Ihr ihre Gefühle abzusprechen, ist das denkbar falscheste.
Besser wäre es ihr Hilfe in Form von zuhören anzubieten, für den Fall, dass sie das möchte. Sich wiederkehrend nach dem Befinden zu erkundigen und ihr das Gefühl zu geben, sie und ihre Trauer ernst zu nehmen. Und wenn einem die Worte fehlen, dann ist das auch okay, Dann sagt man das. "Du, ich weiss nicht, was ich sagen soll, aber ich bin für Dich da." Denn es gibt ohnehin keine Worte, die die Trauer weg zaubern können.
Darüber hinaus ist es für viele Frauen nicht zu verstehen, dass das Umfeld nach kurzer Zeit zum „business as usual“ zurückkehrt und damit den Eindruck erweckt, dass das ungeborene Leben nie existiert hat, belang- und bedeutungslos war oder schon vergessen wurde. Emotional gesehen war dieses Kind für die Frau aber schon viel mehr als eine bloße „Zellanhäufung“ und auch ein Verlust in einer frühen Woche wiegt für viele Frauen dennoch schwer. Die Frau wird nicht mehr gefragt wie es ihr geht, wie sie den Verlust verkraftet und ob man etwas für sie tun kann. Das verletzt oder verärgert viele Frauen.
Besser wäre es sich wiederholt nach ihrem Befinden zu erkundigen, ihr immer wieder eine Schulter zum Anlehen und ein offenes Ohr anzubieten. Durch so ein Verhalten für sich die Frau ernst genommen und dem verlorenen Kind wird angemessene Wichtigkeit und Rolle gegeben.
"Für ein Kind, dessen Eltern sterben, stirbt die Vergangenheit.
Für die Eltern, deren Kind stirbt, stirbt die Zukunft."
(abgewandelt von B. Auerbach)
Hier noch eine weitere Hilfestellung zum Nachlesen über den Umgang mit Trauernden
Lieben Dank dafür, Sabrina!
Was wünscht sich eine Frau, die einen Schwangerschaftsverlust erlitten hat, von Ihrer Umwelt?
Das ist sicher eine Frage, die der Familie und den Freunden durch den Kopf geht und an der sie leider oft scheitern.
Leider ist es so, dass in der heutigen Zeit der Umgang mit dem Tod verlernt worden ist und er an Natürlichkeit verloren hat. Früher wurden die Toten wie selbstverständlich in der Stube zuhause aufgebahrt, Freunde und Familie kamen, beweinten und betrauerten zusammen den Toten und nahmen so Abschied. So wie zuhause geboren wurde, wurde auch zuhause gestorben. Der Kreis des Lebens schloss sich auf natürliche Art und Weise.
Heute ist es so, dass dieser natürliche Umgang mit dem Tod, der nun mal zum Leben unweigerlich dazu gehört, verloren gegangen ist. Selten sieht man den Toten noch, er verschwindet, wird beerdigt oder eingeäschert ohne den bewussten Prozess des Betrauerns am Totenbett.
Dabei ist doch gerade dieses wortwörtliche "Begreifen" so wichtig, damit die Seele verstehen kann, dass der Mensch nicht mehr da ist. Der Tod gehört nicht mehr selbstverständlich zum Alltag dazu, wir haben daher den Umgang mit ihm verlernt und damit auch den Umgang mit den Trauernden. Heute ist das Umfeld häufig recht unbeholfen und unsicher, wenn sie auf einen Hinterbliebenen treffen. "Was soll ich denn sagen?" - Es gibt aber nicht den einen "richtigen Satz", viel wichtiger ist eine aufrichtige Anteilnahme und Empathie. Und wenn man unsicher ist, nicht weiss, was man sagen soll, dann sollte man dieses einfach aussprechen "Du, ich weiss gerade gar nicht, was ich sagen soll, alles, was mir so einfällt, klingt so banal, aber du sollst wissen, dass ich da bin! Wenn Du reden möchtest, bin ich da, wenn Du weinen möchtest, weine ich mit, wenn Du etwas brauchst, kümmere ich mich darum, wenn Du Ablenkung möchtest, bin ich da, wenn Du Deine Ruhe möchtest, halte ich mich zurück, aber Du sollst wissen, Du kannst auf mich zählen." Falsch ist aber sicher: Nicht da zu sein, kein Interesse zu zeigen, sich nicht zu melden.